Hagen "Auf den Spuren von Osthaus"

Ein Tag unterwegs in Hagen mit der Kunsthistorikerin Ariane Haustein

Das Wetter versprach Gutes: Heimat-vereinswetter- also auf nach Hagen! Pünktlich startete der Bus vom Bahnhof Dinslaken und der Dorfkirche Hiesfeld aus – zunächst Richtung Wattenscheid, wo Frau Hackstein unserem Bus zustieg. In Hagen angekommen, wurden wir mit Kopfhörern ausgestattet, wohltuend für uns als auch Frau Hackstein – denn sie hatte ein volles Programm ausgearbeitet. Hatte sie bereits im Essener Folkwang-Museum eine Gruppe des Heimatvereins geführt, so stand für diesen Ausflug ein Gang zu den Ursprüngen des Folkwang-Museums in Hagen an. Doch zuvor zeigte sie uns auf der „Kultur-Route“ zwei wichtige Stationen des sogenannten „Hagener Impulses“:

 

Station 1: Eduard-Müller-Krematorium in Hagen-Delstein

Benannt nach dem Vorsitzenden des Feuerbestattungsvereins Dr. Eduard Müller, unterstützt durch den Mitbegründer des Vereins und Kunstmäzen Karl Ernst Osthaus, wurde nach den Plänen des Architekten Peter Behrens diese erste Feuerbestattungsanlage in Preußen 1905/07 in Hagen  errichtet: bis 1912 war Einäscherung nicht erlaubt. Vorbild für die Andachtshalle war für Peter Behrens die Florentiner Kirche San Miniato al Monte. Das Innere der Andachtshalle spiegelt die ursprüngliche Gestaltung des Äußeren wider: schwarz-weiße Sgraffitotechnik und Fliesengestaltung – ein Highlight des Jugendstils, einer Reformbewegung vor dem Ersten Weltkrieg, die sich gegen die verkrusteten Strukturen des Wilhelminismus wendete, und Hagen war europaweit eines der wichtigsten Zentren für diese Reformbewegung.

 

Ein Gang über den Friedhof von Delstein schloss sich an, einer der ältesten kommunalen Friedhöfe  von Hagen. Frau Hackstein zeigte uns u.a. Ehrengräber, wie das des Malers Christian Rohlfs mit der von Ernst Barlach geschaffenen Bronze-Plastik „Der lehrende Christus“, das Grab des 1951 verstorbenen Willi Cuno (Oberbürgermeister der Stadt Hagen) sowie die Ruhestätte Eduard Müllers, dem Namensgeber des Krematoriums. Am Eingangsbereich machte Frau Hackstein noch einmal auf die Bronze-Skulptur von Karl Albiker aufmerksam: „Die Klagende“ (1911/12).

 

Station 2: Hagener Hauptbahnhof – „Der Künstler als Lehrer für Handwerk und Gewerbe“ von Johan Thorn Prikker (1911).

Der niederländische Künstler (*1868 in Den Haag) siedelte 1904 über nach Deutschland, in Krefeld wurde er als Lehrer an der neugegründeten Handwerker- und Kunstgewerbeschule tätig,  1910 schloss er sich in Hagen den künstlerischen Reformbestrebungen der Werkbund-Bewegung um Karl Ernst Osthaus an. Dadurch erhielt er u.a. den Auftrag, im Bahnhof Hagen das Hauptfenster über dem Eingang als Glasgemälde zu gestalten. Darüber hinaus arbeitete er als Lehrer an der Essener Handwerker- und Kunstgewerbeschule, der späteren Folkwang-Schule Essen (1913-1916). 

 

Station 3: Ehemaliges Folkwang-Museum - Osthaus Museum Hagen

Gegen Mittag erreichte die Gruppe das im Sommer 1902 eröffnete Folkwang-Museum, den heutigen Altbau am Museumsplatz (nebenan befindet sich der Neubau des Emil Schumacher Museums).

Das Folkwang-Museum verdankt seine Gründung Karl Ernst Osthaus. Dieser hatte - so die Erklärung durch Frau Hackstein - den belgischen Architekten Henry van der Velde beauftragt, mit der Museumseinrichtung das erste öffentliche Gebäude Deutschlands im „Neuen Stil“ zu errichten. Wir hörten, dass dieses erste Museum für zeitgenössische und moderne Kunst nach seiner Gründung weltweit berühmt wurde durch die von Henry van der Velde im Jugendstil gestalteten Innenräume, wie z.B. das beeindruckende Treppenhaus und der Vortragssaal. Kunst und Kunstgewerbe verschiedener Epochen und Kulturkreise wurden hier verbunden mit dem von Osthaus verfolgten Ziel, Kunst und Leben zu versöhnen. Frau Hackstein führte uns durch das gesamte Interieur und die Sammlungen dieses Hauses, zeigte mit Engagement und stets interessanten Details die Schätze dieses Hauses. Dazu gehörte auch der neu konzipierte Raum „Deutschland – ein Denkmal“ mit zwei Bibliotheken: die „Bibliothek zu Gedächtnis und Erinnerung“ (Gedächtnisforschung), und die „Bibliothek zum Nationalsozialismus“, eine Bibliographie zur „Architektur der Erinnerung“, versehen u.a. mit einem Zeitungsarchiv.   Auch das Kellergeschoss mit Lichtinstallationen wurde noch erkundet.

 

Station 4: Mittagspause im Ristorante Vivere …

 

Station 5:  Villa Cuno

Erster Halt Im Stadtteil Eppenhausen: die Villa Cuno, eine 1909/10 nach dem Entwurf von Peter Behrens und der Bauleitung von Walter Gropius für den Hagener Oberbürgermeister Willi Cuno erbaute Villa mit ihrer streng geometrischen Fassade.  Seit Mitte der 90er Jahre wird sie als Kindertagesstätte genutzt.

 

Station 6: Villa Hohenhof – Museum des Hagener Impulses 1906/08

Weiter ging es zu Fuß zu dieser Villa und zunächst wurde der Blick auf die aktuelle Rekonstruktion der denkmalgeschützten Gartenanlage gelenkt, mit der sich die Stadt Hagen an der IBA 2027 beteiligen will.  Vor dem Haupthaus umriss Frau Hackstein Geschichte und wechselnde Funktionen des Hauses im Laufe der Zeit:

Architekturgeschichtlich zähle der Hohenhof heute zu den bedeutendsten Gebäuden Europas kurz nach der Jahrhundertwende und sei eines der wenigen erhaltenen Beispiele für ein Jugendstil-Gesamtwerk. Von der Architektur bis zur kompletten Inneneinrichtung gestaltete Henry van der Velde in Absprache mit dem Bauherren Osthaus und seiner Ehefrau Gertrud deren Wohnhaus „aus einem Guss“. 1927 wurden Gebäude und Ländereien an die Stadt Hagen verkauft, 1933 wurde der NSDAP die Errichtung einer Gauführerschule ermöglicht. Im Krieg diente das Haus als Lazarett, nach dem Krieg war dort eine Frauenklinik untergebracht, in der auch Frau Hackstein zur Welt kam…

Bei einem intensiven Rundgang durch das Museum konnte sich die Gruppe selbst ein Bild davon machen was es heißt, eine Inneneinrichtung „aus einem Guss“ zu gestalten: Meißner Porzellan, Silberschmuck und -geschirr, elegante Stoff-, Holz-, Leder- und Elfenbein-Arbeiten usw.

Ein Blick in die Gartenanlage neben und hinter dem Haupthaus rundete diese Erkundung ab.

 

Station7: Künstlersiedlung„Am Stirnband“/Künstlerkolonie Hohenhagen

Dem von Karl Ernst Osthaus beauftragten holländischen Architekten Jan Ludovicus Mathieu Lauweriks

gelang es zwischen 1910 und 1914 neun Häuser zu realisieren, deren Gestaltung er eine von ihm selbst entwickelte Systemlehre zugrunde legte: Jedes der Häuser ist individuell gestaltet, doch bilden sie durch wiederkehrende Materialien eine Einheit.

Ein Starkregen beendete diese letzte Erkundung zu Fuß.

 

Dank an Frau Haustein für diese umfassende Information in ihrer Heimatstadt!

Dank an unseren Busfahrer Peter für die allzeit freundliche + sichere Busfahrt!

Dank an Gaby Drechsler für die hervorragend gelungene Organisation der Fahrt! 

Dank an Wiltrud Läufer für diesen tollen Bericht!  

Osthaus Museum Hagen

Hagener Hauptbahnhof

Villa Cuno

Hohenhof

Fotos: Wiltrud Läufer und Gabriele Drechsler