Neue Stolpersteine für Dinslaken

Verein verlegte Gedenktafeln, um an Schicksale von zur NS-Zeit verfolgter und ermordeter Menschen zu erinnern. Sehr emotional wurde es am ehemaligen Waisenhaus.

von Anna Katharina Wrobel

An der Wielandstraße 1 erinnern nun zwei Stolperstein an Mendel und Helene Heilbronn. Der Lehrer Mendel Heilbronn geriet 1933 in die Mühlen der NS-Behörden und wurde wohl ein Opfer der NS-Euthanasie. Seine Frau Helene wurde 1942 im Ghetto Litzmannstadt ermordet.

Foto: Markus Joosten

Dinslaken. Als Anne Prior an Station 4 von 4 angekommen ist und das letzte Mal an diesem Vormittag offiziell das Wort ergreift, wird ihre Stimme brüchig. "Die Kinder kommen wieder zurück: Stück für Stück zurück nach Dinslaken", sagt sie, nimmt ihre Brille ab und wischt sich die Augen. Die Vorsitzende des Vereins Stolpersteine Dinslaken steht an der Neustraße 43, vor der dm-Filiale, am Standort des ehemaligen israelischen Waisenhauses. Sechs Stolpersteine sind hier eben mit Unterstützung des Din-Services verlegt worden, sechs Schicksale hat Prior den rund 20 Interessierten um sie herum nähergebracht. An den drei Stationen zuvor (siehe unten) waren es ebenfalls sechs Stück. Eigentlich hätten die Steine schon im vergangenen Jahr und gemeinsam mit Stolperstein-Künstler Gunter Demmnig verlegt werden sollen - doch die Corona-Pandemie machte das unmöglich.

 

Oskar Steuer, Max Steuer, Fritz Ehrlich, Franziska Garbownik, Regina Garbownik und Heinz Eschwege. So heißen die zum damaligen Zeitpunkt zwischen sieben udn 16 Jahre alten Kinder und Jugendlichen, die hier am 10. November 1938 bei den Pogromen aus dem Haus und von SS-Leuten durch die Stadt getrieben worden waren und die, so Prior, "zusehen mussten, wie ihr Zuhause zerstört wurde". Sie alle, hat die Vereinsvorsitzende recherchiert, sind im Anschluss, genauer am 12. Dezember 1938, mittels Kindertransport nach Belgien bebracht worden.


Für keinen von ihnen war das die letzte Station: Die Halbwaisen und Brüder Oskar (*1931) und Max Steuer (*1930) wurden weitergebracht in die Niederlande, zu ihrer Mutter Rachel Steuer-Weiss. Am 14. September 1943 wurden sie vom so genannten Übergangslager in Westerbrok nach Auschwitz deportiert. Sie waren zwölf und 13 Jahre alt, als sie in Auschwitz am 17. September 1943 ermordet wurden. Die Schwester Regina (*1922) und Franziska (*1924) Garbownik ereilte ein ähnliches Schicksal. Nach dem Kindertransport Ende 1938 waren sie zeitweise interniert in einem Waisenhaus in Mechelen (Provinz Antwerpen). Dieses sei eigentlich nur für Jungen gewesen, erzählt Anne Prior. Doch offenbar, so hat sie herausgefunden, seien die Familie der Schwestern und die damalige Heimleitung miteinander bekannt gewesen. Die Schwestern wurden im August 1942 ebenfalls nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.


Heinz Eschwege (*1924) hingegen "hätte es fast geschafft, Auschwitz zu überleben", erzählt Prior. Er wurde 1944 in das Konzentrationslager deportiert und am 17. Januar 1945 auf einen Todesmarsch Richtung Westen gezwungen. Er starb am Tag seiner Ankunft am 29. Januar 1945 im Krankenbau des Konzentrationslagers Mittelbau-Dora" an totaler Erschöpfung".

 

Fritz Ehrlich (*1924) war unter den sechs Kindern das einzige, das Auschwitz überlebte. Auch der Junge war zeitweise in Mechelen interniert, wurde 1943 nach Auschwitz deportiert und 1945 aus Bergen-Belsen befreit. "es ist wichtig, dass wir an die Schicksale dieser Menschen erinnern", betont Prior. Und auch Bürgermeisterin Michaela Eislöffel ist beeindruckt davon, "dass es in unserer Stadt Dinslaken möglich ist, die Spuren jüdischen Lebens sichtbar zu machen".

Anne Prior (M.) erzählt die Geschichte des Ehepaar Heilbronn.

Foto: Markus Joosten

Diese Stolpersteine wurden außerdem verlegt

 

An drei weiteren Stationen wurden sechs weitere Stolperstein verlegt: Zwei davon an der Wielandstraße 1. Hier lebten Lehrer Mendel Heilbronn (*1889, †1942) und seine Frau Helene Heilbronn (*1884, †1942).

 

An der Wilhelm-Lantermann-Straße 51 erinnert ein Stolperstein nun an Sara Mahnke (*1883,†1943), geb. Joseph.

 

An der Bahnstraße 3 wird nunmehr dem Ehepaar Sally und Sofie Stahl sowie ihrer Tochter Ilse Stahl-Spier gedacht. Während das Ehepaar überlebte, weil es 1939 erst nach Holland und dann in die USA fliehen konnte, wurde Tochter Ilse Stahl-Spier in Auschwitz ermordet. Eine weitere Tochter hingegen überlebte. Auch an sie soll künftig hier erinnert werden.

 

Quelle: NRZ 02.07.2021