Krokusse, Zentauren und Schicksale

Alexander Rays, Manfred Hermanns und Robert Kallers Beiträge zum Dinslakener Skulpturenweg.

von Bettina Schack

Die Ruhrgebietskrokusse von Alexander Ray hinter der St.-Vincentius-Kirche.

Foto: Rose Benninghoff

Dinslaken. Im Beet hinter der Vincentius-Kirche wachsen merkwürdige Blumen. Rostbraun sind sie, aber nicht welk. Wie auch, es handelt sich nicht um echte Pflanzen, wohl aber um eine Blüte Ruhrgebietskultur. Alexander Ray bepflanzte 2001 anlässlich des Anlegens des Skulpturenwegs vom Stadtpark bis zum Museum Voswinckelshof eine Grünfläche zwischen der St.-Vincentius-Kirche und dem katholischen Pfarrhaus mit einer ganz speziellen Pflanzengattung: „Ruhrgebietskrokusse“.

 

Etwas rostbraun, etwas grau schimmert die Oberfläche der knollenartigen Formen. Die Farbe soll an Eisen erinnern, ein Hinweis auf die Industrie im Ruhrgebiet, die auch Dinslaken um 1900 mit den Werkshallen an der Thyssenstraße zu neuer Größe verhalf. Doch die Plastik von Alexander Ray selbst ist keineswegs aus Stahl oder Eisen gefertigt. Der aus Russland stammende, schon lange in Oberhausen lebende Künstler schuf die Plastik aus Schamotte-Keramik. Den leicht verlaufenden, rostbraunen Farbeffekt erzeugte er durch die Glasur.


Tatsächlich aus rostigem Metall gefertigt ist dagegen der „Zentaur“ von Manfred Hermanns, der neben dem Färbergarten am Museum Voswinckelshof seinen Platz gefunden hat. Zentauren sind jene Mischwesen aus Mensch und Pferd, die in der griechischen Antike einen höchst zweifelhaften Ruf genossen. Mysteriös, aber sympathischer dagegen erlebt man sie in der Zauberwelt von Harry Potter. Das Exemplar in Dinslaken ist ein Zwitterding aus gehörntem Objekt und – Ofenrohr. Gefertigt aus rostigem Metall wie der „Ohrenmann“ und die „Streithähne“ der Künstlerkollegen Klaus Jost und Kuno Lange, aber mit mehr Fundstück-Charakter. Dabei ist der Zentaur keineswegs allein oder der letzte seiner Art. Hermanns schuf fünf weitere Artgenossen, die allerdings nicht in Dinslaken heimisch sind.


Der Zentaur zwischen den Büschen am Voswinckelshof hat bei aller Modernität der Gestaltung etwas Archaisches, Fabulöses. Was passt, schließlich ist er Mischwesen und Himmelsgeschöpf zugleich: formt er doch nachts das Sternbild des Schützen. Sein astrologisches Symbol findet sich an einem weiteren Objekt des Skulpturenwegs: Es geht zurück Richtung Stadtpark, vorbei an den Streithähnen zum Eckturm des alten Schlosses, dem heutigen Rathaus, neben dem Ententeich. Dort, neben dem Eingang der „Kutscherstube“ hängt an der Wand ein Relief mit bewegten, wirbelnden Formen: Es sind Kraftfelder, und sie gruppieren sich um die Tierkreiszeichen, in deren Zentrum wiederum der Mensch steht.

 

Das Relief stammt von Robert Kaller. Der Künstler studierte Bildhauerei und Kunst-geschichte an der Alanus-Hochschule in Bonn und hatte Lehraufträge in Kiel, Graz und Dortmund, bis er 1994 die Mosaikbauschule in Dortmund gründete. „Mein Ziel ist es, die Kunst als schöpferisches Potenzial in das alltägliche Leben einzubringen. Viele Anregungen aus der Ideenwelt und vor allem den methodischen Ansatz meiner Arbeit verdanke ich dem Lebenswerk von Johann Wolfgang von Goethe und dem Anthroposophen Rudolf Steiner“, erklärt Robert Kaller auf seiner Homepage kallerkunst.de, die hilft, auch die Dinslakener „Schicksalslandschaften“ besser einzuordnen.


Das Atelier Kaller erschließt organische Wohnwelten neu durch plastisch modellierte Öfen, bringt Leben und Farbe durch tausende kleine Mosaiksteine in Schulen und Kindergärten. Dabei spielt neben den erwähnten weichen, fließenden Formen auch Kallers auf Goethe basierende Farbenlehre eine Rolle. Aktuell beschäftigt sich Kaller mit dem Motiv der Hand von der „Armbanduhr der Götter“ bis zur „Hand Gottes“.

 

Quelle: RP 17.05.2021