Urban Arts machen Dinslaken bunter

Graf­fi­ti­künst­ler ver­wan­deln das He­xen­haus und Brü­cken in far­ben­fro­he Hin­gu­cker.

von Bettina Schack

Das „He­xen­haus“ wur­de von Ur­ban Arts mit dem chi­le­ni­schen Streetart-Künst­ler Mar­co Reych ge­stal­tet.

Foto: Lars Fröhlich

Dinslaken. Das Häus­chen zwi­schen Brück- und Kol­ping­stra­ße ist win­zig: Als Kunst­werk kommt es ganz groß her­aus. 2016 nah­men sich die Dins­la­ke­ner Graf­fi­ti-Künst­ler von Ur­ban Arts, Ju­li­an Schi­man­ski und Tim Blan­ken­stein, ge­mein­sam mit Mar­co Reych des 200 Jah­re al­ten, als „He­xen­haus“ be­kann­ten Fach­werk­ge­bäu­des in der Dins­la­ke­ner Alt­stadt an. Ein Pro­jekt, das Nach­hal­tig­keit und Öko­lo­gie the­ma­ti­siert und selbst in­ter­na­tio­nal ist. Mar­co Reych lebt und ar­bei­tet in Chi­le, in Dins­la­ken hielt er sich als Gast­künst­ler von „Kunst statt Leer­stand“ (KSL) und dem gleich­zei­tig statt­fin­den­den Ur­ban Arts Fes­ti­val auf.

 

Die zen­tra­le Per­son auf der Fas­sa­de des He­xen­hau­ses ist „Mut­ter Na­tur“, ei­ne jun­ge Süd­ame­ri­ka­ne­rin. Das Ama­zo­nas­ge­biet und der be­droh­te Re­gen­wald sind ei­ne der vie­len „Welt­bau­stel­len“, die auf dem Graf­fi­to dar­ge­stellt sind. Glo­ba­le, ge­sell­schafts­po­li­ti­sche Kunst mit ei­ner kla­ren Aus­sa­ge, um­ge­setzt in den leuch­tends­ten Far­be: ein Guck­mal, das mit sei­ner po­si­ti­ven Aus­strah­lung eben­so auf sich auf­merk­sam macht wie mit sei­ner schie­ren Grö­ße. Als Ge­bäu­de ist das He­xen­haus win­zig, be­trach­tet man es we­gen sei­ner bis un­ters Dach ge­stal­te­ten Hül­le als Kunst­ob­jekt im öf­fent­li­chen Raum, ist es gi­gan­tisch.

 

Da­bei sind die Ur­ban Arts auch an­ders­wo in Dins­la­ken die Rich­ti­gen für die gro­ßen Sa­chen. Bun­te Brü­cken zum Bei­spiel. Sind Un­ter­füh­run­gen an­dern­orts meist ei­ne trost­lo­se An­ge­le­gen­heit, grau, oft­mals dre­ckig, vol­ler Pla­kat­fet­zen und Schmie­re­rei­en, glei­chen die Bahn­brü­cken in Dins­la­ken öf­fent­lich be­geh­ba­ren Ga­le­ri­en. Und das al­les of­fi­zi­ell, in Ab­spra­che mit dem Ei­gen­tü­mer, der städ­ti­schen Ju­gend­ar­beit und ge­för­dert mit Mit­teln der öf­fent­li­chen Hand.

 

Ent­stan­den ist die­se Viel­falt aus Man­gel – dem Man­gel an Frei­flä­chen für le­ga­le Graf­fi­ti. Streetart ist die mo­der­ne, bil­der­rei­che Ant­wort auf die eher skulp­tu­ral ge­präg­te Kunst im öf­fent­li­chen Raum ver­gan­ge­ner Jahr­zehn­te. Zwar wur­de in den 50er, 60er Jah­ren auch noch Fas­sa­den­kunst ge­schaf­fen, doch trat die­se im­mer wei­ter in den Hin­ter­grund. Häu­ser, die von vorn­her­ein mit Bild­schmuck kon­zi­piert wer­den, gibt es nicht mehr. Wie sehr Fas­sa­den­kunst je­doch das Stadt­bild be­rei­chert, zei­gen gu­te Graf­fi­ti. Und es muss kein – il­le­gal über Nacht ge­sprüh­ter – Ban­sky sein, um ei­ne lang­wei­li­ge Wand zum Bild­trä­ger span­nen­der, zeit­ge­nös­si­scher Kunst zu ma­chen.

 

Ur­ban Arts ha­ben sich zu­sam­men­ge­fun­den, um die­se Kunst­form ganz of­fi­zi­ell in Ab­spra­che mit den Be­sit­zern der Im­mo­bi­li­en aus­zu­üben. Auf Ga­ra­gen­to­re, auf Wän­de. Zu­letzt ge­stal­te­ten sie Wän­de beim SuS 09 mit groß­for­ma­ti­gen Sport­ler-Por­träts.

 

An­fang der 2010er Jah­re such­ten Ur­ban Arts selbst die Auf­su­chen­de Ju­gend­ar­beit der Stadt Dins­la­ken auf. Sie wa­ren auf der Su­che nach Frei­flä­chen für neue Kunst. „Im Ge­spräch mit Jo­nas Egel­kraut, der da­mals Street­wor­ker bei der Stadt war, ka­men wir auf die Brü­cken zu spre­chen“, er­in­nert sich Ju­li­an Schi­man­ski. Man nahm Kon­takt zur Deut­schen Bahn als Be­sit­ze­rin der Brü­cken auf. Und dort fand die Idee, ganz of­fi­zi­ell Kunst un­ter den Un­ter­füh­run­gen zu ma­chen, An­klang. Of­fen blieb die Fra­ge der Fi­nan­zie­rung für die vie­len Qua­drat­me­ter an Far­be.

 

Doch auch da fand sich Hil­fe. Die Ak­ti­on konn­te mit Bun­des­mit­teln im Rah­men von „To­le­ranz för­dern – Kom­pe­tenz stär­ken“ ge­stemmt wer­den. Denn Ur­ban Arts agier­ten für die­se Gro­ß­pro­jek­te kei­nes­wegs al­lein. Schul­klas­sen wur­den mit ein­ge­bun­den, an der Ge­stal­tung der Brü­cke über der Hün­xer Stra­ße konn­te sich je­der be­tei­li­gen. Und das Mot­to „To­le­ranz för­dern“ wird auch in den Bild­mo­ti­ven auf viel­fäl­tigs­te Wei­se auf­ge­grif­fen und in­ter­pre­tiert.

 

Bun­te Viel­falt, Di­ver­si­tät. Das sind die The­men an der Hün­xer Stra­ße. Den Sport in sei­ner Ei­gen­schaft, Men­schen zu be­we­gen, stell­ten Ur­ban Arts ge­mein­sam mit ih­rem Kunst­kurs aus dem P-Dorf un­ter der Brü­cke über der Karl-Heinz-Klin­gen-Stra­ße dar. „Flower Power meet Styles“ schlie­ß­lich hei­ßt die Zu­sam­men­ar­beit der Streetart-Künst­ler mit zwei Schü­le­rin­nen der Ernst-Bar­lach-Ge­samt­schu­le an der B8.

 

Mit­te der 2010er Jah­re wur­den die Brü­cken­pro­jek­te rea­li­siert. Zur sel­ben Zeit hat­te Dins­la­ken so­gar die Chan­ce, zum Treff­punkt der in­ter­na­tio­na­len Streetart zu wer­den. Zu den Ur­ban Arts Fes­ti­vals reis­ten Künst­ler von Russ­land, Por­tu­gal und Süd­ame­ri­ka an, zu Spit­zen­zei­ten be­war­ben sich bis zu 400 In­ter­es­sen­ten um ei­nen Platz an der Mau­er der Do­ro­the­en-Kampf­bahn am Ran­de von Loh­berg.

 

„Lei­der hat die Stadt die Be­deu­tung nie er­kannt und un­ser in­ter­na­tio­na­les Fes­ti­val als ,Graf­fi­ti-Event’ ab­ge­tan“, be­dau­ert Ju­li­an Schi­man­ski, „da­bei ha­ben Streetart-Künst­ler aus al­ler Welt Flug­kos­ten auf sich ge­nom­men, um hier in un­ser klei­nes Dins­la­ken zu kom­men.“

 

Ur­ban Arts ma­chen Dins­la­ken bun­ter. Die ein­zi­gen sind sie da­bei al­ler­dings nicht. So wur­den et­wa die Strom­käs­ten in der In­nen­stadt von den pro­fes­sio­nel­len Künst­lern De­nis Klatt aus Dort­mund und Mar­ten Da­li­mot aus der Nach­bar­stadt Duis­burg ge­stal­tet.

 

Und dann gibt es noch Mr. and Mrs Bal­lon an ei­ner Haus­wand an der Klos­ter­stra­ße. Auch hier soll der un­ge­nannt blei­ben­de Street Ar­tist aus Dins­la­ken stam­men.

 

Quelle: RP 21.04.2021