Das "Zechbier" gibt es noch heute
von Birgit Gargitter

Inzwischen sitzen im Rat nicht nur Männer, Frauen haben ihre Positionen längst behauptet. Wie Margarete Humpert.

DINSLAKEN. Fast 30 Jahre lang hatte Mechthild von Virneburg vom Kastell aus geherrscht. Weit weniger Dienstjahre liegen hinter Bürgermeisterin Sabine Weiss und Margarete Humpert. Während Margarete Humpert als 1. stellvertretende Bürgermeisterin rein repräsentative Aufgaben zu erfüllen hat und die Bürgermeisterin bei Bedarf im Rat vertritt, obliegt dem Stadtoberhaupt die Verantwortung über Dinslaken. Sie sind nach mehr als 600 Jahren die ersten Frauen, die die Stadt "regieren".

 

Denn auch in der Geschichte der Bürgermeister, die seit 1435 namentlich belegt sind, findet sich keine Frau. Die Aufgaben eines Bürgermeisters waren bereits im Mittelalter bedeutend: Da waren die Aufsicht und Verantwortung für die städtischen Finanzen und den Landbesitz. Ihm oblag es auch, darauf zu achten, dass alle Bürger ihren Verpflichtungen gegenüber ihrem Gemeinwesen nachkamen. Darunter fielen die Heerespflicht, der Wachdienst und die Mithilfe an Reparaturen der Stadtbefestigung. Außerdem vertrat der Bürgermeister die Stadt nach außen, musste an den auswärts stattfindenen Versammlungen der Stände teilnehmen.

Schöffen waren wichtigste Behörde

In den ältesten Zeiten nach der Stadtgründung 1273 war nicht der Rat, sondern das Schöffenkollegium die wichtigste Behörde. Es gab in Dinslaken-Altstadt immer sieben Schöffen, die jährlich zugleich mit dem Bürgermeister am 1. Januar von den Gemeindeleuten gewählt wurden (in der Neustadt war es der 6. Januar, hier wurden ein Bürgermeister und vier Schöffen gewählt). Somit währte die Amtszeit offiziell nur ein Jahr, eine Velängerung war jedoch üblich, schließlich gab es nur eine geringe Anzahl geeigneter Männer. Die Schöffen übernahmen die richterliche Funktion und bildeten mit dem Bürgermeister den Stadtrat.

Gewählt wurde im Haus des Bürgermeisters, das damals nur aus zwei Amtsräumen bestanden haben dürfte. Später wurde im in der Nähe des Kirchhofes gelegenen Rathaus gewählt. Der alte Bürgermeister wählte am Nachmittag des Neujahrstages einen unbescholtenen Mann aus der Stadt zum Gemeinsmann, der älteste Schöffe tat desgleichen. Diese beiden Männer beriefen aus der Bürgerschaft oder dem Magistrat zwei weitere Gemeinsleute, diese vier weitere zwei, so dass sie zu sechst waren. Dann zog man sich in die Pfarrkirche zurück und wählte sowohl den Bürgermeister als auch die sieben Schöffen. Zum Zeichen der vollzogenen Wahl wurde anschließend die große Glocke geläutet. Nach der Wahl stärkten sich Bürgermeister, Schöffen und Gemeinsleute bei einer gemeinsamen Mahlzeit und Zechbier von ihrer Anstrengung.

Das "Zechbier" hat die Jahrhunderte überlebt, das gab es auch nach der Wahl der beiden stellvertretenden Bürgermeister. Und noch eines rettete sich aus dem Mittelalter: das älteste Ratsmitglied läutet die erste Ratssitzung nach einer Kommunalwahl ein und vereidigt den von der Bevölkerung direkt gewählten hauptamtlichen Bürgermeister. Inzwischen haben auch Frauen Einzug in den Rat gehalten. Zehn sind es insgesamt. Auf den ersten Blick wenig, dennoch hält Margarete Humpert nichts von der Quotenregelung. "Persönlichkeit und Sachverstand sollen entscheidend sein, nicht die einfache Tatsache, dass ich eine Frau bin." Dennoch ist auch ihr bewusst, dass eine Frau in Beruf und Politik immer noch mehr Leistung erbringen muss als ein Mann.

Sie hat "ihre Männer" von ihrem Können, von ihrer sachlich kompententen und kontinuierlichen Arbeit überzeugt. Und das Amt der stellvertretenden Bürgermeisterin, das sie seit 1994 innehat, macht ihr Spaß. "Man bekommt Kontakt zu den Menschen, hat Einblick in Vereine und Unternehmungen, vor allem aber, ich lerne die Sorgen und das Leben der Bürger besser kennen." Für sie sei es eine Ehre, die Stadt repräsentieren zu dürfen. "Wir Frauen haben schon immer etwas bewirkt. Oftmals unbemerkt von der Öffentlichkeit, aber nicht weniger wichtig. Nicht jede kann verantwortlich für eine Urkunde sein, die rückblickend die einzige ist, in der vom Land Dinslaken die Rede ist, die das Land Dinslaken zu einer Einheit machte. Ich hätte damals auch so wie Mechthild gehandelt, mich nicht mit meinem Witwendasein getröstet. Sie konnte gut delegieren, gut mit Menschen umgehen und sie hat viel für die Bürgerschaft erreicht.

Ränkespiele gibts immer noch

Natürlich hat sie Fehler gemacht, wie viele und wie schwer, ist anhand der wenigen Fakten heute nicht mehr zu beurteilen. Leider ist sie an Männern, Dietrich von Kleve und Heinrich von Virneburg, gescheitert." Und Ränkespiele? Margarete Humpert schmunzelt: "Die gibt es auch heute noch genauso wie es sie früher gab, doch nicht mehr so extrem zwischen den Geschlechtern."

Quellen: Gisela Marzin in "Der andere Blick - Frauenleben in Dinslaken", zu beziehen über den Frauengeschichtskreis, Stadtarchiv. Prof. Rudolf Stampfuß: "Stadtgeschichte Dinslakens"