"Dynslaken" erstmalig in Dinslaken
von Bettina Schack

 

Im Museum Voswinckelshof wird im Rahmen der Ausstellung „500 Jahre Reformation im Land Dinslaken“ die älteste bekannte Stadtansicht gezeigt.

 

Es ist eine kleine Sensation: Dinslaken ist in Dinslaken. Also das alte „Dynslaken“. Das mit dem hohen Burgturm, der Gasthauskapelle links neben St. Vincentius und den beiden Türmen vom Walsumer Tor. Die Stadtansicht mit dem Hirten, der eine Herde mit sieben Schweinen auf einem Feld vor der Stadt vor sich hertreibt – weshalb das Motiv bei den Dinslakenern allgemein als „Schweinchenstich“ bekannt ist. Reproduktionen des Kupferstichs findet man in sämtlichen Büchern zur Stadtgeschichte und manch einer hat vielleicht auch noch die Wanddekoration im Restaurant des alten Hertie-Kaufhauses vor Augen. Jetzt aber kann man im Rahmen der Reformationsausstellung im Museum Voswinckelshof einen Blick auf den Druck werfen, der der Ursprung all dieser modernen Nachdrucke ist

 

Der Kupferstich ist eine Leihgabe des Museums Kurhaus Kleve. Dieses beherbergt die Sammlung Angerhausen, zu der der „Schweinchenstich“ gehört. Erst einmal sei das Blatt in Kleve gezeigt worden, weiß Dr. Peter Theißen, Leiter des Museums Voswinckelshof. „und noch nie zuvor in Dinslaken“.

 

Betrachter benötigt eine Lupe für den Stich

 

Dinslakens früheste bekannte Stadtansicht im Originaldruck ihrer Zeit. Eine Lupe sei dem Betrachter empfohlen: Das gute Stück misst kaum zwölf mal acht Zentimeter. Was allerdings in seiner Zeit, dem 17. Jahrhundert, nichts Ungewöhnliches ist. Stadtansichten waren ungemein populär und erschienen mit erläuternden Texten in Büchern. Illustrationen, die man noch heute, meist aus ihrem historischen Kontext herausgeschnippelt, für kleines Geld kaufen kann.

 

Nicht jedoch den „Schweinchenstich“. Nur der eine Druck aus der Sammlung Angerhausen ist bekannt! Was aber ist sein Kontext gewesen? Von wem stammt er, wer hat ihn gedruckt? Es gibt kein Buch, in dem man beim Blättern auf den Stich samt ausführlicher Stadtbeschreibung stößt. Allerdings war „Dynslaken“ nicht allein. Büderich, Goch, Griethausen und Sonsbeck gibt es ebenfalls: So kommt man auf 23 Stiche – zählt man alle verwandte Stadtansichten der Sammlung Angerhausen, der eines Privatsammlers in Schermbeck und eines Einblattdruckes der Sammlung Bodel Nijenhuis in der Bibliothek der Universität Leiden zusammen. Und Letzteres könnte der Schlüssel zu allen sein. Denn auch auf ihm, offensichtlich das Widmungsblatt des 1660 von dem Klever Buchdrucker und Buchhändler Tobias Silberling für das Jahr 1661 gedruckten Almanaches, findet man zwei Stadtansichten, die aus der selben Serie zu stammen scheinen: der gleiche Stil, der gleiche Rahmen, die gleiche Schrifttype für den Ortsnamen.

 

Wer stellte den Schweinehirten vor Dinslaken?

 

Dies veranlasste den Kunsthistoriker und langjährigen Leiter des Museums Kurhaus Kleve Guido de Werd 1988, die These aufzustellen, dass dem Einzelblatt des Almanachs mit Widmungstext, einem Familienbild des Kurfürsten und den Ansichten von Kleve und Wesel die Almanachsdaten für 1661 und die Ansichten aller Klevischen Haupt- und Unterstädte folgten. Stimmt dies und sind die Stadtansichten wirklich für diesen Zweck gestochen worden – oft wurden vorhandene Kupferplatten für andere Publikationen wiederverwendet, so wie noch heute Fotos immer wieder in Büchern oder im Internet auftauchen – so stünden Kontext und Datierung der frühesten bekanntesten Stadtansicht Dinslakens fest.

 

Bleibt noch die Frage, wer denn derjenige war, der den Schweinehirten und seine Tiere als Staffage vor Dinslaken und von seinen statisch bedenklich hohen Turm stellte und damit die künstlerische Vorlage für den handwerklichen Kupferstich lieferte. „HFeldman Delineavit“ steht unter einer der Stadtansichten der offensichtlichen Serie. Und - ganz passend zu de Werds These - findet man auch im Portrait der Kurfürstenfamilie ein „Ex speculationibus Henderici Feldmanni“ - „nach einer Idee von Hendrick Feltman“, wie es im Buch „Clivo polis“ frei übersetzt wird. Hendrick Feltman war ein niederländischer Maler, der unter anderem bis heute für seine Ansicht von Nijmegen aus der Vogelperspektive bekannt ist und eine großformatige Stadtansicht von Kleve schuf, die, zusammen mit einem Text des Pfarrers Hermann Ewich, als Clivo polis, „Die Stadt Kleve“ 1653 bei dem Arnheimer Drucker Jacob van Biesen erschien.

 

Einige seiner Zeichnungen von Klever Städten sind sogar erhalten. Dinslaken ist leider nicht dabei...

 

Mehr zu den genannten Quellen findet man im Buch „Clivo polis“, das die Freunde der Schwanenburg e.V., der Klevische Verein für Kultur und Geschichte e.V und das Stadtarchiv Kleve 2005 herausgegeben haben.

Der Kupferstich von "Dynslaken", mit dem hohen Burgturm, des Gasthauskapelle, St. Vincentius und dem Walsumer Tor aus der Sammlung Robert Angerhausen. Die Dinslakener nennen dieses Bild wegen der bäuerlichen Szene im Vordergrund "Schweinestich".                                 Foto: Annegret Gossens/Museum Kurhaus Kleve