Haus Ahr - Geschichte eines alten Ritterguts

Ingo Tenberg setzt dem einstigen Rittersitz mit seinem Buch ein Denkmal. Und er widmet sich intensiv der Familie Tendring.

von Birgit Gargitter

Ingo Tenberg hat ein Buch über den Rittersitz Haus Ahr in Möllen geschrieben, von dem nur noch der Dachreiter geblieben ist. 

Foto: IT

 

Voerde. Wer am Tag des offenen Denkmals durch den Park von Haus Wohnung schlendert, der weiß, welches Kleinod nach dem Krieg wieder auferstanden ist. Und wie traurig mutet es dem heimatbegeisterten Menschen an, wenn er nur wenige Kilometer weiter in die Ahrstraße Richtung Götterswickerhamm einbiegt und sein Blick auf einen einsam in der Landschaft stehenden Dachreiter fällt. Er ist das letzte Überbleibsel von Haus Ahr, einem einstmals prächtigen Rittersitz aus dem 13. Jahrhundert.

 

Dabei hatte Haus Ahr, anders als Haus Wohnung, fast unbeschadet den Zweiten Weltkrieg überstanden, wurde 1960 nach einem langen Rechtsstreit dem Dinslakener Stahlwerks-eigentümer und Senator Fritz Meyer als Besitz zugeschlagen und 1984 in die Denkmalliste der Stadt Voerde eingetragen. Angesichts der hohen Sanierungskosten von rund drei Millionen DM für das alte Denkmal entbrannte ein Streit zwischen den Erben Meyers und der Stadt, währenddessen das Haus immer mehr zerfiel und schließlich 2003 abgetragen wurde. Dem Heimatverein Voerde ist es zu verdanken, dass zumindest der Dachreiter gerettet werden konnte.

 

Nun aber wird dem Haus Ahr eine neue Ehre zuteil: Auf 52 Hochglanzseiten mit zahlreichen Bildern aus früheren und heutigen Zeiten versehen, lässt Ingo Tenberg, stellvertretender Vorsitzender des Heimatvereins Dinslaken, in seinem gleichnamigen Buch den Rittersitz Haus Ahr noch einmal in seiner kompletten Geschichte auferstehen. „Ich fahre oft an Haus Ahr vorbei und sehe ein Relikt von etwas, das es nicht mehr gibt – den Dachreiter“, erzählt Tenberg. „Immer wieder fragte ich mich, wie wohl die Geschichte des ehemaligen Rittergutes ausgesehen haben möge.“ Natürlich kannte auch er die Geschichten um Betty Tendering, der wohl berühmtesten Bewohnerin des Gutes, doch „je tiefer ich in die Geschichte von Haus Ahr und seiner Bewohner eingetaucht bin, umso faszinierter war ich von den Ereignissen, die sich im und am Herrensitz zugetragen haben“, sagt er. Und es ist eine gut zu lesende Geschichte geworden, in der Betty Tendering und ihre Familie den breitesten Rahmen einnehmen.

                

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Geschichte von Haus Ahr ist auch die Geschichte von Betty

Tendring, die hier geboren wurde.

REPRO: JOK

 

Aus vielen Quellen hat sich der Heimatforscher bedient – aus der von Willi Dittgen etwa oder Walter Neuse, von dem er ein der Allgemeinheit unbekanntes Manuskript im Voerder Stadtarchiv fand. „Das Manuskript dümpelte vor sich hin, nur wenige Heimatforscher haben darauf zurückgegriffen“, erzählt Tenberg. Natürlich sei nichts im Buche wirklich neu, eigene Forschungen im wissenschaftlich ureigenen Sinne habe er nicht unternommen, aber die Quellen studiert und miteinander verflochten. So entstand ein lesenswertes kleines Buch über die Geschichte von Haus Ahr. „Es gibt zahlreiche Aufsätze zu Haus Ahr, aber meines Wissens kein komplett verfasstes Buch“, berichtet Tenberg.

 

In lockerer Schreibe schafft er Bilder längst vergangener Zeiten. Wer durch die Voerder Landschaft wandert, kann sich vorstellen, wie es dort einst ausgesehen haben mag, in den von einem alten Rheinarm geprägten Niederrheinterrassen. Kleine Tal- und Hügelland-schaften hatten sich gebildet, durch die sich in mehreren Abzweigungen der Mommbach schlängelte, beschreibt Tenberg die Umgebung von Haus Ahr. Auf einer dieser „Inseln“ errichtete eine Adelsfamilie, die einer Linie des Rittergeschlechtes des Hauses Traar bei Krefeld angehören soll, ein Burghaus mit dem Namen „te are“ (am Wasser). Wahrscheinlich handelte es sich dabei um einen einfachen oder zweistöckigen Turm aus massivem Backstein. Im Jahr 1241 findet die erstmalige Erwähnung von Haus Ahr statt, denn ein Wolter von Are bezeugte die Verleihung der Stadtrechte von Wesel durch Graf Dietrich IV von Kleve. 1273 tritt ein Albert von Are als Zeuge bei der Ernennung Dinslakens zur Stadt auf.

 

Tenberg arbeitet in seinem Buch vielfach mit kürzeren und längeren Fußnoten, um den Lesefluss der eigentlichen Geschichte nicht zu unterbrechen. Da geht es zum Beispiel um nähere Erläuterungen zur Fehde mit Duisburg oder gar der Soester Fehde, in die auch die Herren von Haus Ahr verwickelt waren.

 

Da gehörte das Haus allerdings schon den Herren von Haus Hiesfeld. Von einem Geschlecht zum anderen wechselte das Rittergut, manche relativ unbekannt, andere recht bedeutsam zu ihrer Zeit. Nicht nur die Besitzer wechselten, das Haus Ahr erlebte auch manchen Umbruch, wurde zerstört und wieder aufgebaut, schöner denn je, bis das Haus Ahr schließlich in den Besitz der Familie Tendering überging. Diesem allgemein bekannten Abschnitt widmet Tenberg wohl den größten Umfang, hat es ihm Betty doch ganz besonders angetan. Da ist er nicht der Einzige. Der Schriftsteller Gottfried Keller hatte sich in die Schöne verliebt und die Figur „Dortchen Schönfund“ in seinem Roman „Der grüne Heinrich“ erschaffen, ganz am Ebenbild jener Betty Tendering. Um sie freite auch Georg Weerth, mit dem Betty einen langen Briefwechsel pflegte, von dem einige Exemplare Einzug ins Buch fanden. Nicht zuletzt entdeckte 1977 der Schweizer Astronom Paul Wild einen Asteroiden des Amor-Typs und nannte ihn nach einem Wortspiel Kellers „Bella Trovata“ oder „Beltrovata“ – die „schön Gefundene“, eben jene Figur Dortchen Schönfund oder Betty Tendering.

 

In den letzten Jahren  war Haus Ahr nur noch eine Ruine. Das völlig verfallene Haus wurde im Herbst 2003 abgerissen. 

RP-ARCHIVFOTO: JOK

 

Das Buch „Der Rittersitz Haus Ahr“ ist im Verlag Books on Demand erschienen und im Buchhandel zum Preis von 9,90 Euro erhältlich (ISBN:978-3-7526-8675-3).

 

Quelle: RP 08.04.2021