Sanierte Stadtkirche steht auf festem Grund
von Bettina Schack

 

Erst fünf Jahre lag das Geschehnis des stadthistorischen Vortrags zurück, und doch umspann Referent Norbert Müller 300 Millionen Jahre. Am Dienstagabend dokumentierte der Diplom-Ingenieur und Diplom-Geologe die Grundsanierung der evangelischen Stadtkirche. Ein Abriss der geologischen Entwicklung des Fleckchens Erde, das einmal Dinslaken heißen sollte, war als Grundlage für die Ausführungen des Gutachters unentbehrlich.

Diverse Klimawechsel sorgten für Abwechslung. Die Sümpfe, die der „Lache“ bei Hiesfeld im Mittelalter den Namen gaben, existierten schon einmal als die Erde noch jung war. Sie wurden zur Steinkohle. Dann kamen heiße Zeiten, Dinslaken lag am Meer. Doch das Strandleben hielt nur ein Erdzeitalter, es wurde eisig. Zwischenzeitlich hieß es gar „Land unter“. Und als sich die Lage endlich beruhigte, schwappte der Rhein über und brachte Hochflutablagerungen. Auf den zahlreichen Graphiken Müllers gleicht Dinslakens Boden einem Sandkuchen mit Schokoflocken und Glasur. Doch genau hier liegt das Problem: Sand ist guter Baugrund, aber der eingelagerte Schluff ließ die Wände der Stadtkirche reißen.

Am heftigsten traf es die Sakristei von 1904. Sinkende Grundwasserspiegel trocknete den humosen Schluff - Laien würden „Torf“ sagen – aus. Die schwerere Kirche drückte den Boden fest, die leichte Sakristei sackte ab. Auch den Einsturz des ersten, 1719 errichteten Turms des Kirchenneubaus erklärt Norbert Müller mit der mangelnden Tragfähigkeit des Bodens. War dies der Grund, dass man nur das Turmfundament mit Holzpfählen stützte? Diese fand man ausgetrocknet bei der Grundsanierung.

Norbert Müller stellt gleich mehrere Techniken vor, die alten Gebäuden neuen Halt geben. Dieser Gründlichkeit war es zu verdanken, dass für die Kirche nicht nur die kostengünstigste, sondern auch zukunftssicherste Lösung gefunden wurde. Das Presspfahlsystem stellt die Kirche sozusagen auf Stelzen, die sich in den festen Sand bohren. Ein Rohr wird in den Boden getrieben, ein Doppel-T-Träger sorgt für die feste Verbindung zum darüber liegenden Fundament. Noch ein Kontrollblick, dann wird der umgebene Schacht einbetoniert. 55 Pfähle und ein Korsett aus Stahlbeton stützen seit fünf Jahren das Fundament der Stadtkirche, bis heute hat sich kein neuer Riss gebildet.

Zum Abschluss brachte Müller noch eine Pisastudie mit: den Schiefen Turm rettete man nicht durch Unterfütterung der abgesackten Seite, sondern durch eine Bodenabtragung unter der gegenüberliegenden. Minus mal Minus ist halt Plus.

Die Fundamentpfeiler der 2000 neu gegründeten Stadtkirche v.l. Pfeiler 22, Pfeiler 43.


Fotos aus der Baugrube: Walter Ostermann (2009 verstorben), damaliger Projektleiter der Sanierung der Stadtkirche.