Die Kreise Dinslaken von 1816 - 1823 und 1907 - 1974
von Hans-Hermann Bison

 

Wenn man sich die Frage stellt, was für die Geschichte von Land und Stadt Dinslaken wichtige Jahre waren, sollte man auch das jetzt 200 Jahre zurück­liegende Jahr 1816 nennen. Damals wurde Dinslaken erstmals Kreisstadt.

 

Wie waren die damaligen Zeitumstände? Nach dem Ende der napoleonischen Herr­schaft, die ganz Europa umgekrempelt hatte, wurde auf dem Wiener Kon­gress 1814/15 Europa neu geordnet. Als Ergebnis dieses Kongresses erhielt Preußen das ganze Rheinland, nachdem es dort zuvor nur mit dem Herzogtum Kleve, also auch mit Dinslaken, am Rhein vertreten war. Preußen hätte damals viel lieber das an das preußische Kerngebiet angrenzende Sachsen mit seinen reichen Bodenschätzen hinzubekommen. Aber Preußen wurde vom Kongress gleichsam die „Wacht am Rhein“ gegen Frankreich übertragen.

 

Die Preußen waren immer schon eifrige Organisatoren. So ordneten sie auch das Rheinland 1815 neu nach ihren Vorstellungen. Dabei wurde ein Regie­rungsbezirk Kleve gebildet, der aus sechs Kreisen bestand. Einer davon war der Kreis Dinslaken. So war Dinslaken 1816 mit damals nur 1.200 Einwohnern erstmals Kreisstadt gewor­den.

 

Der Kreis Dinslaken von 1816 umfasste außer Dinslaken noch Duisburg, Gahlen (Hünxe), Götterswickerhamm (Voerde), Holten, Ruhrort und Schermbeck. Es ist heute kaum noch nachvollziehbar, dass Duisburg einst Teil des Kreises Dinslaken war. Landrat war Julius von Buggenhagen, der in den letzten Jahren durch einen Heimatfreund wieder publik gemacht wurde.

 

Wir haben heute, 200 Jahre nach der ersten Kreisgründung, leider keinen An­lass, ein Jubiläumsfest zu feiern. Bereits 7 Jahre nach seiner Gründung ging es mit dem ersten Kreis Dinslaken schon wieder zu Ende.

 

Nachdem 1822 der Regierungsbezirk Kleve schon aufgelöst und mit Düsseldorf zu­sammengefasst worden war, wurde der Kreis Dinslaken 1823 mit Ausnahme von Schermbeck, das dem Kreis Wesel/Rees zugeschlagen wurde, dem neuen Kreis Duisburg einverleibt. Das gleiche Schicksal hatte damals auch der Kreis Essen. Man erkennt an diesen Veränderungen, dass der Trend zu immer grö­ßeren Gebiets­körper­schaften nicht erst eine Erfindung des Industriezeitalters war.

 

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts erfolgten noch weitere Gebietsänderungen in unserer Region. So gehörte Dinslaken ab 1873 zum Kreis Mülheim, ab 1887 zum Kreis Ruhrort.

Die industrielle Entwicklung des Ruhrgebietes mit ihrem gewaltigen Bevölke­rungs­zuwachs führte in kurzen Abständen, vor allem ab 1900, zu weiteren kommunalen Veränderungen. Für Dinslaken war dabei von besonderer Be­deutung, dass seine Kreisstadt Ruhrort 1905 in die 1873 kreisfrei gewordene Stadt Duisburg eingemein­det wurde. Es war also die Kuriosität entstanden, dass der Kreissitz Ruhrort außer­halb des Kreisgebietes lag. Dies brachte die Diskussion zu einer Änderung in Gang. Dabei sah Dinslaken seine Stunde ge­kommen. Durch das seit 1897 in Betrieb be­findliche und wirtschaftlich florie­rende Thyssen‘sche Bandeisenwalzwerk hatte Dinslaken eine neue Entwick­lung genommen, vor allem auch hinsichtlich seiner Steuerkraft.

 

Der „Stadthalter“ von August Thyssen in Dinslaken, Walzwerksdirektor Julius Kalle, wurde zum einflussreichen Wortführer für die Verlegung des Kreissitzes von Ruhrort nach Dinslaken. Nach heftigen Diskussionen fasste der Ruhrorter Kreistag im Mai 1907 einstimmig einen entsprechenden Beschluss. Dabei spielte sicherlich auch eine Rolle, dass die Stadt Dinslaken als Eigentümerin des Kastells (heute Rathaus) dieses kostenlos als neues Landratsamt anbot. Im September 1907 folgte die kaiser­liche Genehmigung, Dinslaken zum Kreissitz zu machen.

 

Ab 1909 arbeitete die Kreisverwaltung im bis dahin grundlegend neu gestalte­ten Kastell. Der Kreis Dinslaken bestand bei seiner Gründung aus folgenden Städten und Gemeinden:

 

Dinslaken

Gahlen (Hünxe)

Götterswickerhamm (Voerde)

Hamborn

Hiesfeld

Sterkrade mit Holten

Walsum

Schon bald nach Gründung des zweiten Kreises Dinslaken war die Rede da­von, dass er wohl nicht lange bestehen würde. Dabei spielte eine Rolle, dass im Jahr 1911 Hamborn aus dem Kreis ausschied und zur kreisfreien Stadt wurde. 1913 schied auch Sterkrade aus dem Kreis aus.

 

In der Weimarer Zeit kam es erneut zu Diskussionen über den Fortbestand des in­zwischen klein gewordenen Kreises Dinslaken. Vor allem dem damaligen Landrat Schluchtmann ist es zu verdanken, dass der Kreis bestehen blieb. In der NS-Zeit kam dieses Thema offenbar nicht zur Sprache und nach 1945 waren die Themen des Wiederaufbaues wichtiger.

 

In den 1970er Jahren kam in Nordrhein-Westfalen eine Diskussion über grundle­gende kommunale Neuordnungen in Gang. Jahrelang wurde in Kom­missionen über die bestmögliche Lösung diskutiert und hart gestritten.

 

Das zum 01.01.1975 wirksam gewordene Ergebnis war für Dinslaken enttäu­schend. Der Kreis Dinslaken wie auch der viel größere Kreis Moers wurden aufgelöst. Dinslaken wie auch Voerde und Hünxe wurden Teil des neuen Kreises Wesel, Walsum wurde nach Duisburg eingemeindet. Voerde konnte sich nur mühsam retten, büßte aber in wirtschaftlicher Hinsicht zugunsten von Wesel an Einfluss ein. Hünxe musste zwar Gahlen abgeben, gewann aber größere Gebiete nördlich der Lippe bis vor die Tore von Brünen dazu.

 

Die Traumvorstellung von Dinslaken, den Kreis Dinslaken zu einer Großstadt Dinslaken werden zu lassen, ließ sich nicht realisieren. Hierzu wäre auch eine größere Übereinstimmung zwischen den Kommunen des Kreises notwendig gewesen.