Kreuz und Kohle

Die bergmännische Kultur findet in der Region auch ihren Niederschlag in sakralen Kunstwerken. Etwa in der Monstranz in der Herz-Jesu-Kirche Oberlohberg

von Bettina Schack


Die Monstranz der Herz-Jesu-Kirche inOberlohberg ist aus Silber und Kohle gefertigt. Möglich war das durch die Verwendung von "Candlecoal".

Foto: Thorsten Lindekamp / Funke Foto Services GmbH

 

Dinslaken. An den Bergbau, Lebensmittelpunkt vieler Menschen im 20. Jahrhundert, erinnert die Sakralkunst in der Region, in der Kohle als bedeutungsvolles Material eingearbeitet wurde. Die Weisen aus dem Morgenland brachten dem Jesuskind Gold, Weihrauch und Myrrhe. Die Gabe der Bergleute war das Schwarze Gold, die Steinkohle, die 100 Jahre lang im Altkreis Dinslaken abgebaut wurde.

 

Gaben zum Altar gebracht

Und diese Gabe wurde zum Altar gebracht. Konfessionsübergreifend in den bergbaugeprägten Gemeinden. Und so gehören zu den „Kirchen-Kunst-Schätzen“, die von der bergmännischen Kultur in der Region zeugen, nicht nur die vielen Darstellungen der Hl. Barbara, der Schutzpatronin der Bergleute, der Bergmann der Krippe von St. Marien Oberlohberg, das Stück Kohle im Objektfenster der Ev. Kirche „Unsere Arche“ von Alfred Grimm in Hünxe-Bruckhausen oder das Glasfenster der Erlöserkirche an der Weißenburgstraße in Dinslaken. Die Steinkohle selbst wurde zum Material wie Gold und Silber, um daraus Kreuze, Kerzenständer und liturgische Geräte zu schaffen.

 

Erhebung zur Pfarrei

Ein besonders filigranes und kunstfertiges Beispiel für die Verwendung von Steinkohle in der Sakralkunst wird im Hochaltar der Herz-Jesu-Kirche Oberlohberg aufbewahrt. Es ist die Monstranz, die der Inspektor des Bergwerks Lohberg Heinrich Gibbels 1923 in Erinnerung an die Erhebung von Herz-Jesu zur eigenständigen Pfarrei stiftete.

 

Dies geschah 1919, vorher war Herz-Jesu Pfarrkurat. Johannes Kempges, erster Pfarrer der jungen Gemeinde, nahm die Monstranz als Geschenk an die Gemeinde entgegen. Die Widmung ist auf der Rückseite des Fußes in eine Silberplatte eingraviert.

 

In einer Monstranz wird die Hostie, der Leib des Herrn, der Gemeinde zur Verehrung gezeigt. Der Pfarrer trägt die Monstranz mit erhobenen Armen bei der Fronleichnamsprozession durch die Straßen. Oder sie steht in der stillen Kirche zur Anbetung des Herrn auf dem Altar. Als Gefäß für den Leib des Herrn ist sie von höchster Kostbarkeit, was entsprechend in der Gestaltung wie im Material Ausdruck findet.

 

Die Hostie wird von einer Lunula, einem Maria repräsentierenden Halbmond gehalten und steht, gut sichtbar, hinter Kristallglas. Von diesem geht ein Strahlenkranz, meistens aus Gold, aus. Die Monstranz steht auf einem kunstvoll verzierten Fuße.

 

Verwendung von Kendelkohle

In Herz-Jesu ist es kein Gold, das glänzt. Der Goldschmied Johann von Ooyen aus Kevelaer schuf einen Entwurf, der ganz auf den reizvollen Kontrast von Silber und Kohle setzte. Luna, Strahlenkranz, das Kreuz auf dem Sakramentshäuschen, die Taube als Symbol des Heiligen Geists, historisierende Putten und die Einfassungen von Kuppel und Fuß fertigte er aus Silber. Der Korpus der Monstranz, seine feinen, fast zierlichen Säulen und der reich verzierte Fuß aber sind aus Kohle.

 

Josef Borussak, ein Bergbauinvalide aus Lohberg, der künstlerisches wie handwerkliches Talent besaß, schuf diese Bildhauerarbeit nach dem Entwurf von von Ooyens. Möglich war dies nur durch die Verwendung von Candlecoal, die in Deutschland Kennel- oder Kendelkohle heißt.

 

Diese seltene Steinkohle erinnert optisch an Karbon und ist – wie es im Flyer des Förderkreises kirchliche Kunstgegenstände der Kath. Kirchengemeinde St. Vincentius über die Monstranz nachzulesen ist – besonders reich an Bitumen und Gas, sehr feinporig und zum Heizen ungeeignet.

 

Aus ihr wurden Kohlestifte für E-Loks und Straßenbahnen hergestellt. Oder Kunst geschaffen, so wie sie im Fall der Monstranz von Herz-Jesu seit fast 100 Jahren ein prachtvolles Zeugnis von der Religiosität der Bergleute gibt.

Quelle: NRZ 29.01.2021